Der deutsche Chemiker Maximilian Fichtner forscht an der Batterietechnologie der Zukunft. Er sagt: Effiziente Batterien sind der wichtigste Schlüssel für das Gelingen der Elektromobilität.
Professor Fichtner, kein Bauteil ist für ein Elektroauto so
elementar wie die Speicherbatterie. Was ist die beste Batterie für
diesen Einsatzbereich?
Eine Batterie, welche die beste
Kombination der Eigenschaften Speicherkapazität, schnelle Beladbarkeit,
geringe Kosten, Sicherheit und Nachhaltigkeit in sich vereinigt. Welche
das genau ist, hängt vom Fahrzeug und seinem Einsatzbereich ab. In der
Oberklasse zählt eine grosse Reichweite. Im Kompaktsegment sollte eine
Batterie deutlich günstiger sein, dafür muss sie eine nicht ganz so
grosse Speicherleistung aufweisen.
Der
Platz für die Batterie in einem Elektrofahrzeug ist begrenzt. Wie muss
ein Batteriesystem aufgebaut sein, damit es bei gleicher Grösse mehr
Speichermaterial aufnehmen kann?
Einige Hersteller arbeiten
mit dem sogenannten „Cell-to-Pack-Design“, oder auch
„Cell-to-Body-Design“ genannt. Vereinfacht gesagt werden Batteriepacks
nicht mehr aus Zellen in Schokoladentafelgrösse aufgebaut, sondern in
Dielenbrettergrösse. Diese grösseren Einheiten besitzen weniger totes
Verpackungsmaterial und bieten mehr Raum für das eigentliche
Speichermaterial. Sie erreichen eine Integrationsdichte von über 70
Prozent, normale Batterien dagegen nur gut 50 Prozent. Wer als
E-Auto-Hersteller eigene Batterie-Entwicklungen anstrebt, kann von
vornherein diese Technologiesprünge im Design berücksichtigen. Denn man
darf nicht so sehr nur auf die einzelne Batteriezelle schauen, sondern
muss sich stärker darauf fokussieren, wie man Zellen möglichst
raumsparend und gross bauen kann.
Welche Fortschritte werden Batterien in den kommenden Jahren machen?
Wir
erwarten sprunghafte Fortschritte. Für das Jahr 2023 sind erste
Batteriepacks zweier chinesischer Hersteller angekündigt, welche
Reichweiten jenseits von 1000 Kilometern ermöglichen sollen.
Gleichzeitig soll man damit in der Lage sein, 700 Kilometer Reichweite
in weniger als zehn Minuten zu laden. Selbst mich als Forscher
überrascht diese Dynamik in der Entwicklung. Das wäre ein grosser Sprung
in der Batterietechnologie, der noch gar nicht einmal auf neuer
Batteriechemie basiert, sondern auf technologischen Massnahmen.
Prof. Dr. Maximilian Fichtner forscht in Deutschland an der Batterietechnologie der Zukunft.
Die Leistungsaufnahme wird ja häufig vernachlässigt. Wie ist der Zusammenhang zwischen Laden und Batterietechnologie?
Ja,
das stimmt, denn wann fährt man schon einmal 600 Kilometer am Stück?
Wichtig bei grossen Batterien ist deshalb, dass sie die Möglichkeit
bieten, schnell zu laden. Das ist das eigentliche Argument. Wenn man den
Akku seines E-Fahrzeugs in zehn Minuten von zehn auf 80 Prozent lädt,
nimmt das dem Verbrennungsmotor jedes Argument. Es gibt Materialien, die
lassen sich schneller beladen, und solche, die sich langsamer beladen
lassen. Technisch gesehen verschieben sich die Lithium-Ionen in der
Batterie beim Laden vom Pluspol zum Minuspol, dort müssen sie sozusagen
hineinkrabbeln, sich einlagern.
Im Augenblick verwendet man am Minuspol eine Graphit-Schichtstruktur. Es gibt schon Batteriehersteller, die hier Silizium-Kohlenstoff-Komposite einsetzen wollen. Diese sind deutlich schneller beladbar, auch bei tiefen Temperaturen. Da ist materialseitig viel Entwicklungspotenzial. Allein durch diese Materialänderung am Minuspol erhält die Gesamtzelle 30 Prozent mehr Speicherkapazität. Da sind noch unglaublich grosse Entwicklungssprünge möglich. Abgesehen davon: Wenn Sie eine 60-kWh-Batterie in zehn Minuten laden wollen, benötigen Sie einen Ladeanschluss mit 360 kW Leistung. Das zeigt, dass die Limitierung zurzeit immer weniger auf Batterieseite liegt, als vielmehr bei der Ladeinfrastruktur.
Bei
einem Smartphone lässt bei häufiger Nutzung die Leistungsfähigkeit der
Batterie nach zwei, drei Jahren deutlich nach. Wie lange ist die
Lebensdauer einer Batterie eines Elektrofahrzeugs?
Die
Batterie im Smartphone ist ganz anders gestrickt und darauf konzipiert,
dass Sie das Smartphone nach drei Jahren erneuern. Im Auto ist die
Batteriesteuerung viel intelligenter, und die Batterie wird auf
vielerlei Art und Weise, zum Beispiel durch intelligentes
Lademanagement, vor Überhitzung und anderen schädlichen Einflüssen
geschützt. Untersuchungen mit neueren Fahrzeugen zeigen, dass nach fünf
Jahren in der Regel noch 95 Prozent Restkapazität der Batterie zur
Verfügung stehen. Die Traktionsbatterie in einem Elektrofahrzeug ist so
ausgelegt, dass sie 2000 Vollzyklen absolvieren kann. Als Beispiel: 2000
mal 500 Kilometer Reichweite macht eine Million Kilometer. Nach diesen
2000 Vollzyklen erreicht die Batterie eine Schwelle von 80 Prozent
Restkapazität, was als Kriterium für das Lebensende der Batterie gilt.
Die Batterie ist dann aber noch lange nicht kaputt und kann zum Beispiel
in einem Stationärspeicher von Photovoltaik- oder Windkraftanlagen noch
zehn Jahre gute Dienste tun.
Maximilian Fichtner
Weltweit entstehen Gigafabriken zur Batteriefertigung. Reichen die
benötigten Batterierohstoffe global aus für die Zellproduktion der
kommenden Jahre bzw. Jahrzehnte?
Von der vorhandenen Menge her
ja. Allerdings wurden die Produktionskapazitäten noch nicht auf den
stark steigenden Bedarf angepasst, sodass es in einigen Bereichen zu
Engpässen kommen kann. Wir Forschende versuchen hier Abhilfe zu
schaffen, indem wir beispielsweise Kobalt komplett aus den neuen
Batterien verbannen und Lithium zukünftig teilweise durch Natrium
ersetzen, was den möglichen Rohstoffengpass deutlich mindern wird. In
Deutschland werden aktuell elf Gigafactories für Batterien geplant. Das
gibt es in keinem anderen Land. Da entsteht ein riesiges Potenzial, das
Richtige zu tun. Die entscheidende Frage ist: Produzieren diese
Gigafactories nur Zellen, oder kümmern sie sich ums Gesamtsystem?
Wie wichtig sind in diesem Kontext Recyclingverfahren von Altbatterien?
Sehr
wichtig. Man schätzt, dass etwa ab dem Jahr 2034 bereits die Hälfte der
benötigten Rohstoffe aus dem Recycling stammen wird. Derzeit gibt es 38
Batterie-Recycling-Betriebe in Europa, die neue Verfahren entwickeln
und ihre Kapazitäten ausweiten. Wenn die grossen Mengen aus den
E-Fahrzeugen Mitte der 2030er-Jahre ins Recycling kommen, müssen sie
vorbereitet sein.
Die Batterie macht einen Grossteil der Kosten eines Elektrofahrzeugs aus. Was muss geschehen, damit diese Kosten sinken?
Dazu
müssen günstigere Rohstoffe verwendet werden, also Rohmaterialien,
welche häufig sind, weltweit vorkommen und unkritisch abzubauen sind.
Weiter muss die Fertigung neue energie- und zeitsparende Verfahren
entwickeln. Neben dem Umschwung zu nachhaltigeren Materialien ist
Kostenreduktion der Megatrend in der Batterieproduktion. Das setzt
überall an: weniger Platzbedarf, weniger Energieaufwand, weniger
Zeiteinsatz. Da ist viel in der Entwicklung, und es geht schneller, als
man manchmal denkt. Die Batterie-Entwicklung ist gerade unglaublich
aufregend.