Oliver Hoffmann, Vorstand für Technische Entwicklung der AUDI AG, blickt zurück auf 50 Jahre “Vorsprung durch Technik”, bewegte Jahre und erklärt, wie man Vorsprung in ein neues Mobilitätszeitalter übersetzt.
Alle Verbrauchsangaben gelten zum Zeitpunkt der Publikation vom 15.01.2024.
Seit 18 Jahren im Konzern, seit März 2021 Vorstand für Technische Entwicklung der AUDI AG: Oliver Hoffmann
Seit 18 Jahren im Konzern, seit März 2021 Vorstand für Technische Entwicklung der AUDI AG: Oliver Hoffmann
Herr Hoffmann, Audi feiert ein halbes Jahrhundert „Vorsprung durch Technik“. Vieles von dem, was die letzten 50 Jahre geprägt hat, kam aus dem Bereich, den Sie verantworten: Gab es aus Ihrer Sicht, rückblickend, einen Fixpunkt?
Für mich ist der wichtigste Meilenstein die quattro-Technologie. Die hat nicht nur unsere Rallye-Erfolge begründet, sondern steht für den Transfer von Erfahrungen aus dem Rennsport in die Serie. Seither sind quattro und Audi nicht mehr zu trennen. Genauso wichtig war 1994 der erste Audi A8 mit der Audi Space Frame Technologie, mit dem wir uns endgültig als Marke im Premium-Segment etablieren konnten.
Als Audi mit dem S1 den Rallyesport der 1980er-Jahre phasenweise dominierte, war der Claim „Vorsprung durch Technik“ aber schon gut zehn Jahre alt. Worin liegt für Sie dessen Ursprung?
Zunächst einmal ist wichtig, dass „Vorsprung durch Technik” damals wie heute für uns viel mehr als nur ein Claim ist. Es ist vielmehr Ausdruck einer Haltung bei Audi. Mit dem Audi 80 haben wir vor 50 Jahren „Vorsprung durch Technik“ erstmals erlebbar gemacht. Das Modell war beeindruckend hinsichtlich Motoren- und Leichtbau-Technologie.
Motorsport ist ein gutes Stichwort: Im Wettkampf erkennt man Vorsprung sofort. Wie wichtig war und ist Motorsport für die Idee „Vorsprung durch Technik“?
Ich bin grosser Motorsport-Fan, stehe gerne an der Strecke und fiebere mit. Aber nicht nur deshalb liegt er mir am Herzen. Der Rennsport kann eine Art Versuchslabor unter Extrembedingungen sein, in dem wir Denkanstösse für neue Ideen und Komponenten bekommen. Das war in der Vergangenheit mit dem quattro-Antrieb oder der Hybrid-Entwicklung bei den 24-Stunden-Meisterschaften so – und wird auch so bleiben.
Wie kann man diese Haltung auf Kund_innenseite erleben?
Das ermöglichen wir, indem wir unseren Produkten eine klare, unverkennbare DNA geben. Daher habe ich das Projekt „Audi DNA“ ins Leben gerufen. Dabei gehen wir tief in technische Details wie den Lenkwinkelbedarf oder die Fahrzeugakustik. Wir wollen eindeutig definieren, wie sich ein Audi beim Fahren anfühlen muss. Das ist auch wichtig für die Zukunft, in der wir möglicherweise hochautomatisiert fahren können.
Oliver Hoffmann
Die Studie „Audi ASF Concept“ gab 1993 einen Ausblick auf den ersten Audi A8: Für Hoffmann ein entscheidender Moment für die Marke.
Die Karosserie aus hochglanzpoliertem Aluminium der seriennahen Studie sollte Leichtigkeit und Hochwertigkeit transportieren.
Die Studie „Audi ASF Concept“ gab 1993 einen Ausblick auf den ersten Audi A8: Für Hoffmann ein entscheidender Moment für die Marke.
Die Karosserie aus hochglanzpoliertem Aluminium der seriennahen Studie sollte Leichtigkeit und Hochwertigkeit transportieren.
Stand in den 1970er- und 80er-Jahren oft das Technische im Vordergrund, wurde bald das Ästhetische, das Design immer wichtiger. Schwingt das Pendel aktuell wieder mehr in Richtung Technik?
Aus meiner Sicht wird das Design, das Zusammenspiel von Form und Funktion, eher noch wichtiger. Unsere Welt und somit auch unsere Fahrzeuge werden immer digitaler, also geht es auch beim Design um die Einbindung in die digitale Welt. Dabei gewinnt aber der Fahrzeuginnenraum in Zukunft weiter an Bedeutung. Unser Design-Team zeigt bei jedem Projekt, dass es immer neue Wege geht, um dem gerecht zu werden. Und natürlich hat Vorsprung auch eine technische Komponente. Ich würde damit innovative und qualitativ hochwertige Lösungen mit hohem Alltagsnutzen beschreiben: Schnellladefähigkeit mit bis zu 270 kW an der entsprechenden Infrastruktur, intelligente Lichttechnologie, Leichtbau mit Materialmix. All das verkörpert Vorsprung für mich.
Kann man sagen, dass 50 Jahre Vorsprung durch Technik, praktisch ein halbes Jahrhundert permanenter Transformation, Audi für die Zukunft gut vorbereitet hat?
Unser Anspruch war es schon immer, nicht vom Wandel getrieben zu werden, sondern Treiber des Wandels zu sein. Insofern, ja, Erfahrung aus 50 Jahren Vorsprung zu leben, hilft. Wenngleich die Veränderung, gerade in der Automobilindustrie, enorm ist.
Wie reagieren Sie, wie reagiert man als Unternehmen darauf?
Zum Beispiel, indem man Strukturen und Prozesse neu aufstellt, Entwicklungszyklen verkürzt. Dabei ist mir persönlich sehr wichtig, daran als Team zu arbeiten. Wir bei Audi stehen für Leidenschaft und Pioniergeist – für den Anspruch, den Status quo immer wieder zu hinterfragen und immer weiterzuentwickeln.
Letztlich verändern sich auch die Herausforderungen: Wächst man sprichwörtlich mit seinen Aufgaben?
Das Verständnis von „Vorsprung“ in der Gesellschaft und die Erwartung an uns verändern sich permanent, ja. Es geht heute mehr denn je um einen verantwortungsbewussten Beitrag für die Zukunft, der den Menschen in den Mittelpunkt rückt.
Ist es denn heute eher schwerer oder – mit Blick auf neue Technologien – leichter, Vorsprung zu erzielen und auszubauen?
Es ist anders. Wir müssen neue Autos und Services genauso schnell entwickeln, wie es die digitalisierte Gesellschaft im 21. Jahrhundert von uns erwartet. Und das meine ich mit verkürzten Entwicklungszyklen. Ausgangspunkt für Innovationen sind Ideen, und die stecken in den Köpfen unserer mehr als 10 000 Mitarbeitenden in der Technischen Entwicklung. Diese kreative Kraft müssen wir auf den Weg bringen, um „Vorsprung durch Technik”“ in ein neues Mobilitätszeitalter zu tragen. Ein zentrales Instrument dabei ist das Innovationsmanagement, das wir gerade neu aufstellen.
Wie erzählt und belegt man Vorsprung im „neuen“ Mobilitätszeitalter?
Wir definieren Vorsprung nicht nur als höchste Ingenieurskunst, State-of-the-art-Design und digitales Erlebnis. Wir denken nicht nur in Fahrzeugen. In Zukunft geht es verstärkt um ganzheitliche Mobilitätslösungen, dazu gehört auch das Thema Infrastruktur. Deshalb arbeiten wir zum Beispiel an einem Konzept für Schnellladen, das ganz klar dem Anspruch der Marke Audi gerecht wird. Unsere Audi charging hub könnten eine Antwort auf künftige Spitzenbedarfe sein und ist flexibel an verschiedenen Orten einsetzbar. Vorsprung ist unser Anspruch, einen Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft zu leisten.
Oliver Hoffmann
Will mit „Vorsprung durch Technik“ ein neues Mobilitätszeitalter gestalten: Oliver Hoffmann.
Will mit „Vorsprung durch Technik“ ein neues Mobilitätszeitalter gestalten: Oliver Hoffmann.
Demnach ist das Voranbringen der Elektromobilität ein solcher Beitrag?
Elektromobilität ist die grösste Transformation, die unsere Industrie jemals erlebt hat. Und natürlich ist es unser Anspruch, „best-in-class“ zu werden. Deshalb erhöhen wir konsequent den Grad der Elektrifizierung bei Audi. Wir nutzen alle E-Plattformen, die der Konzern derzeit bietet. Bis 2025 planen wir, mehr als 20 vollelektrische Modelle anzubieten.
Eines dieser Modelle ist der Audi RS e-tron GT.
Er ist das Aushängeschild für elektrische Premiummobilität bei Audi – und für mich jetzt schon eine Ikone, in der sich das gesamte Wissen aus 50 Jahren „Vorsprung durch Technik“ manifestiert. Wenn der Audi RS e-tron GT ein Statement ist für eine neue Mobilität – und für uns ist er das –, können wir uns auf diese Zukunft freuen.
Was bedeutet Vorsprung für Sie ganz persönlich?
Vorsprung ist für mich immer nur eine Momentaufnahme. Darin steckt für mich, unermüdlich nach innovativen Lösungen zu suchen. Der grösste Vorsprung ist nichts wert, wenn man ihn nicht halten kann.