Ein Gespräch mit User Interface Designer_innen Xenia Sichwardt und Bartos Scharmach über das progressive UI Interface des Audi grandsphere concept.
Audi grandsphere concept: Bei dem genannten und gezeigten Fahrzeug handelt es sich um ein Konzeptfahrzeug, das nicht als Serienfahrzeug verfügbar ist.
Designer Bartos Scharmach im Interieur-Modell des Audi grandsphere concept. Das Bedienelement des MMI touchless response ist in der Tür deutlich zu erkennen.
Designer Bartos Scharmach im Interieur-Modell des Audi grandsphere concept. Das Bedienelement des MMI touchless response ist in der Tür deutlich zu erkennen.
Frau
Sichwardt, Herr Scharmach: Was macht gutes User Interface Design aus?
Bartos
Scharmach: Es muss
menschzentriert sein. Das bedeutet, dass sich nicht der Mensch an das Produkt,
sondern das Produkt sich an den Menschen anpassen muss. Sie sagen dem Auto, was
sie machen möchten, und das Auto bietet dafür dann eine Reihe von Optionen an.
Was
bedeutet das konkret bezogen auf den Audi grandsphere concept?
Bartos
Scharmach: Wenn sich der
oder die Benutzer_in zum Beispiel entspannen möchte, sollte das Auto dieses
Bedürfnis erfüllen und entsprechend reagieren. Aus diesem Grund haben wir die
Benutzeroberfläche des Audi grandsphere so gestaltet, dass es kein statisches,
sondern ein kontextbezogenes Menü gibt. Wenn ich also sage, dass ich mich
entspannen möchte, gibt mir das Auto beispielsweise die Möglichkeit, einen Film
anzusehen oder entspannende Musik zu hören. Es schlägt mir aber auch vor, eine
andere Route zu wählen, die mehr Landschaft bietet, was zusätzlich für
Entspannung sorgen kann.
Anmutungen, Funktionen und Interaktionen, die in das Interieur des Konzeptfahrzeugs einfliessen sollen, sind vorab am Reissbrett geplant.
Anmutungen, Funktionen und Interaktionen, die in das Interieur des Konzeptfahrzeugs einfliessen sollen, sind vorab am Reissbrett geplant.
Bartos Scharmach
Für Designer Bartos Scharmach geht es immer darum, dass sich ein Produkt dem Menschen anpassen muss. Nicht umgekehrt.
Xenia Sichwardt hat bei ihrer Arbeit am Audi grandsphere nicht eine Fläche, sondern den gesamten Innenraum im Blick.
Für Designer Bartos Scharmach geht es immer darum, dass sich ein Produkt dem Menschen anpassen muss. Nicht umgekehrt.
Xenia Sichwardt hat bei ihrer Arbeit am Audi grandsphere nicht eine Fläche, sondern den gesamten Innenraum im Blick.
Der Audi grandsphere concept ist für ein Höchstmass an Komfort, konzipiert. Wirkt sich das auch auf das User Interface aus?
Xenia Sichwardt:
Wenn es um das Thema User Interface (UI) und User Experience (UX) geht,
dann werden immer Smartphone-Hersteller als Beispiel herangezogen. Das
Besondere bei unserer UI und UX ist, dass wir nicht auf eine Fläche
beschränkt sind, wie es bei einem Smartphone der Fall ist. Uns eröffnen
sich neue Gestaltungsmöglichkeiten im Innenraum. Das ist extrem
spannend, denn wir können so Material, Architektur und Interface-Design
verschmelzen lassen.
Bartos Scharmach: Der Audi grandsphere
ist für eine Zukunft konzipiert, in der automatisiertes Fahren möglich
ist. Wir als Designer_innen müssen neue Wege finden, Erlebnisse abseits
des Fahrens zu bieten. Unsere Aufgabe entwickelt sich von der
Gestaltung eines fahrerorientierten Cockpits hin zu einem
raumorientierten Design. Alles im Auto, die Seiten, das Dach, der Boden,
steht auf einmal im Fokus. Man kann das so zusammenfassen: Bei einem
Fahrzeug wie dem Audi grandsphere, das in Zukunft möglicherweise
automatisiert fahren kann, können wir Interieurs noch stärker als
Lebensraum mit individueller Gestaltungsfreiheit für Nutzer_innen
verstehen und planen.
Die Türen des Audi grandsphere öffnen gegenläufig und ermöglichen einen grosszügigen Einstieg in das Fahrzeug.
Die Türen des Audi grandsphere öffnen gegenläufig und ermöglichen einen grosszügigen Einstieg in das Fahrzeug.
Projektionen
ermöglichen es also, das gesamte Interieur für das Erlebnis der Insass_innen zu
nutzen?
Bartos
Scharmach: Der Audi
grandsphere verfügt über kein klassisches Armaturenbrett mehr. Steigt man in
das Auto ein, sieht man keine inaktiven Displays, keine schwarzen, toten
Flächen, wie wir sie gern nennen. Rechteckige Displays sind sehr einschränkend,
da sie uns als Designer_innen vorschreiben, wo die Schnittstellen zu
integrieren sind. Gleichzeitig signalisieren sie den Nutzenden, dass hier, und
nur hier, die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine ist. Indem wir mit
Projektionen arbeiten, die wir auf die Oberfläche – in diesem Fall auf Holz –
der Innenraumarchitektur spielen, sind wir nicht mehr an Bildschirme gebunden.
Wir projizieren auf bestimmte Bereiche der vorhandenen Oberfläche und können
diese Bereiche je nach Situation vergrössern oder verkleinern. So schaffen wir
einen lebendigen Innenraum. Und schaltet man die Projektionen aus, entstehen
keine leeren Rahmen.
Xenia Sichwardt: Das “Frameless Design”, sich also nicht einzuschränken auf eine Fläche, die an einer bestimmten Position verankert ist, war uns sehr wichtig. Es geht darum, die Freiheit zu haben, Informationen dort zu zeigen, wo man möchte, wo User_innen sie tatsächlich brauchen. Das bedeutet First-Class-Reisen in diesem Zusammenhang: Die Bedürfnisse der Reisenden stehen an erster Stelle.
Wie
bindet man Materialität in ein User Interface ein?
Xenia
Sichwardt: Unser
Ausgangspunkt war die Frage: Wie wäre es, gar keine Displays mehr im Fahrzeug
zu haben, und stattdessen mit möglichst viel natürlichen Materialien wie Holz
zu arbeiten? So ein Stück Holz ist einzigartig. Und für uns als UI
Designer_innen ist es auch sehr spannend, diese neue Art von Darstellung zu erforschen.
Was passiert eigentlich, wenn wir Projektionen und natürliche Materialien
verbinden? Was ist das für eine Art von Interface? Wir sind alle Glasflächen
von Bildschirmen gewohnt. Projektionen auf Holz sind eine neue Richtung.
Letztendlich sind wir Menschen natürlichen Materialien zugetan und fühlen uns
wohl, wenn wir von Natur umgeben sind.
Im Audi grandsphere concept werden keine Displays mehr bespielt, sondern Informationen bei Bedarf auf die Materialien im Innenraum projiziert.
Im Audi grandsphere concept werden keine Displays mehr bespielt, sondern Informationen bei Bedarf auf die Materialien im Innenraum projiziert.
Xenia Sichwardt
Holz, als natürlicher Werkstoff, sorgt im Interieur eines Fahrzeugs für eine angenehme Wohlfühl-Atmosphäre.
Wie sich Projektionen auf Holz verhalten, war eine der Fragen, die sich die Designer_innen stellen mussten.
Holz, als natürlicher Werkstoff, sorgt im Interieur eines Fahrzeugs für eine angenehme Wohlfühl-Atmosphäre.
Wie sich Projektionen auf Holz verhalten, war eine der Fragen, die sich die Designer_innen stellen mussten.
In
den Türen des Audi grandsphere befindet sich ein spezieller Drehknopf. Was hat
es mit ihm auf sich?
Bartos Scharmach: Das ist ein innovatives Bedienelement, über das man im aktiven
Fahrbetrieb per Drehring und
Tasten diverse Funktionsmenüs anwählen kann. Sobald man aber im
automatisierten Fahrmodus die Kontrolle an das Fahrzeug abgibt, lassen sich
die Sitze in eine sehr bequeme Position zurückfahren. Dann können die
Bedienelemente in den Türen ausser Reichweite geraten. Die Lösung ist das MMI
touchless response, eine Kombination aus Eye-Tracking und Gestensteuerung.
Nimmt man Blickkontakt auf, kann man dieselbe Geste, die man zum Drehen mit den
Fingern am Instrument nutzen würde, ausführen. Man berührt es nicht, kann aber
sehen, dass sich der Bedienring als Reaktion auf die Geste trotzdem dreht.
Mit zurückgefahrenen Sitzen kann Bartos Scharmach das MMI touchless response bequem durch Blickkontakt und Gesten bedienen.
Mit zurückgefahrenen Sitzen kann Bartos Scharmach das MMI touchless response bequem durch Blickkontakt und Gesten bedienen.
Die
Formensprache beim Exterieur-Design eines Audi erkennt man sofort. Was ist das
Spezielle beim User Interface Design von Audi?
Xenia
Sichwardt: Wir lassen uns
von anderen Kulturen inspirieren. Und besonders bei diesem Projekt haben wir
uns traditionelle japanische Malerei angeschaut. Dort gibt es ein
Gestaltungsprinzip, das besagt: „Die Leere umarmt das Bild“. Diese
Herangehensweise an Gestaltung fanden wir sehr inspirierend. Wir füllen also
das Bild nicht mit Informationen, sondern wir geben den Informationen Raum und
Leichtigkeit, damit sie, reduziert auf das Wesentliche, an Bedeutung gewinnen.
Bei Audi streben wir immer Schlichtheit an, die gleichzeitig elegant ist. Um es mit Dieter Rams zu sagen: „Less but better“.